Meinung des Tages: Überraschender Sturz Assads - wie bewertet Ihr die Geschehnisse in Syrien?
Nach dem Sturz des syrischen Präsidenten Assad blickt man voller Zuversicht und Sorge auf das vom Bürgerkrieg gezeichnete Land. Die Frage ist: Wie soll und kann es in Syrien weiter gehen?
Was ist geschehen?
Für viele kamen die Nachrichten der letzten Tage überraschend: Verschiedene Rebellengruppen unter der Führung der islamistischen Gruppe Hayat Tahrir al-Scham eroberten in der Nacht zum Sonntag die syrische Hauptstadt Damaskus. Mit dem Sturz des Präsidenten Baschar al-Assad enden eine 54 Jahre andauernde Diktatur sowie 14 Jahre Bürgerkrieg.
Assad, der sein halbes Land zerstörte und politische Gegner foltern oder verschwinden ließ, floh unterdessen nach Moskau, wo ihm seitens Russland Schutz gewährt wurde. Russland sowie der Iran zählten zu den wichtigsten Unterstützerländern Assads.
Wie geht es weiter?
Wie es in Syrien weitergeht, ist derzeit völlig unklar. Für Russland kommt der Sturz Assads einer geopolischen Niederlage gleich. Sämtliche Regierungen appellierten an die Rebellenführer und Verantwortlichen, einen friedlichen und geordneten Machtwechsel vorzubereiten. Präsident Biden bezeichnete die Situation als "historische Gelegenheit" für das syrische Volk. Unterdessen griffen die USA IS-Stellungen in Syrien an, damit diese das entstandene Machtvakuum nicht für sich nutzen können.
Syrische Flüchtlinge
Am gestrigen Tag feierten viele in Deutschland lebende Syrer das Ende des Assad-Regimes. Grünen-Politiker Anton Hofreiter warnte jedoch davor, in Bezug auf syrische Flüchtlinge zu voreilig zu handeln. Es müsse erst einmal abgewartet werden, wie sich die Lage in Syrien entwickele.
Unsere Fragen an Euch:
- Wie bewertet Ihr die Situation in Syrien?
- Denkt Ihr, dass der Sturz Assads Stabilität und Frieden für das Land bringen könnte?
- Sollten die USA und andere Großmächte weiterhin Präsenz zeigen, um das Erstarken islamistischer Kräfte vorerst einzudämmen?
- Welche Voraussetzungen müssen Eurer Meinung nach für eine Neubewertung der Lage syrischer Flüchtlinge in Europa gegeben sein?
Wir freuen uns auf Eure Meinungen.
Viele Grüße
Euer gutefrage Team
30 Antworten
Ich sehe die Sache kritisch. Natürlich begrüße ich es, dass Assad endlich weg ist, er war ein furchtbarer Diktator, und hat sehr viel Leid über seine Bevölkerung gebracht. Allerdings muss ich an die Warnung Gaddafis denken, was die Flüchtlingsströme angeht. Und wenn wir uns jetzt ansehen, dass die HTC ein Ableger vom Ableger von AlQaida ist, und dort radikale Islamisten nun das Szepter an sich reißen, können wir uns alle denken, dass die Lage nicht besser wird.
Wer glaubt, dass dort nun Frieden einkehrt, dem sage ich: Seht euch an, was die Radikalen in Afghanistan getan haben. Ich fürchte, man hat einen schlimmen Diktator durch ein potenziell noch schlimmeres Regime ausgetauscht. Schlicht "Befreit? Sagen wir, unter neuem Management". Vielleicht stabilisiert es die Region, aber ich fürchte, dass mittel- und langfristig schlicht ein weiterer, erzislamischer Staat entstehen wird - und dann hat Israel einen weiteren Gegner und Europa bekommt noch mehr Flüchtlinge.
Andererseits hoffe ich aber auch, dass Europa jetzt das Zeitfenster nutzt und all die syrischen Flüchtlinge zügig in Richtung Heimat zurückschickt - ihr Grund, von dort zu fliehen, ist ja aktuell obsolet geworden. Dass das passiert, bezweifle ich zwar, aber man kann ja hoffen.
Vielleicht irre ich ja auch, und die neue Regierung wird ansatzweise gerecht und demokratisch, schafft es, sich vom radikalen Islam zu lösen und ein semi-demokratisches Syrien als Anker für rechtsstaatlichkeit entsteht. Die Geschichte zeigt aber leider, dass in diesem Teil der Welt eine gewisse, harte Hand nötig ist, und Demokratie dort einfach nur sehr eingeschränkt funktioniert. Wir werden uns überraschen lassen müssen, welche Geschmacksrichtung Islam- und Präsidialherrschaft dort nun entsteht.
Die Leute, die Assad immer geschützt haben, sind alle woanders beschäftigt, darum ging das so schnell. Die Syrer in Deutschland, die darüber gejubelt haben, müssten ja jetzt eigentlich alle wieder zurück gehen, um herauszufinden, ob die Verhältnisse wirklich besser werden, aber das bleibt abzuwarten, denn die Kultur des Miteinander/Gegeneinander ändert sich ja nicht dadurch, dass ein Mann das Land verlässt (auch die Vertreibung des Schahs von Persien hat Iran nicht zu einem besseren Land gemacht). Zu entscheiden, wer die Guten und wer die Bösen sind, wird genau so unmöglich bleiben wie im ganzen Nahen Osten.
Naja, wenn man so liest, wie die Miliz HTS so drauf ist, dann ist es nicht ausgeschlossen, dass Syrien vom Regen in die Traufe kommt und sich hieraus eine Art Afghanistan 2.0 entwickelt.
Die Organisation wird von einzelnen Ländern als Terrororganisation eingestuft und es gibt auch etliche Vorwürfe zu Menschenrechtsverletzungen.
Der Nahe Osten ist und bleibt ein Pulverfass.
Wie bewertet Ihr die Situation in Syrien?
Business as usual
Denkt Ihr, dass der Sturz Assads Stabilität und Frieden für das Land bringen könnte?
Nein. Die Türken und Kurden werden sich jetzt bekriegen. Islamische Fundamentalisten bekommen damit eine weitere Chance.
Sollten die USA und andere Großmächte weiterhin Präsenz zeigen, um das Erstarken islamistischer Kräfte vorerst einzudämmen?
Nein. Der Westen sollte sich aus dem nahen und mittleren Osten heraushalten.
Welche Voraussetzungen müssen Eurer Meinung nach für eine Neubewertung der Lage syrischer Flüchtlinge in Europa gegeben sein?
Die kriminell gewordenen Flüchtlinge müssen nach wie vor weg. Völlig egal was in Syrien gerade passiert. Alles andere ist Gift für unsere Heimat. Neue Flüchtlinge aus dem muslimischen Raum sollten wir nicht mehr aufnehmen.
Den Sturz des Diktators sehe ich erst einmal positiv. Aber zurzeit ist es dort wahrscheinlich sehr unübersichtlich und wie es genau weitergeht, wird sich im Laufe der Zeit zeigen. Es sind ja auch Islamisten und ob dort jetzt eine Demokratie errichtet wird, ist fraglich. Erstmal versprochen ist ja viel.