Meinung des Tages: Wie bewertet Ihr das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und dem Libanon?
Für viele syrische Flüchtlinge ist die Lage im benachbarten Libanon inzwischen mehr als prekär, weswegen sich einige in die EU begeben. Ein teurer Deal zwischen der EU und dem Libanon soll die illegale Migration von syrischen Flüchtlingen nun massiv eindämmen...
Lage der syrischen Flüchtlinge im Libanon
Seit 2011 hat der Libanon inzwischen mehr als 1,5 Millionen Geflüchtete aus Syrien aufgenommen. Bei einer Einwohnerzahl von knapp 5,5 Millionen (2022) trägt das kleine Nachbarland Syriens mittlerweile die Hauptlast in pucto Flüchtlingskrise. Angesichts politischer Unruhen sowie einer schweren Wirtschaftskrise nehmen diskriminierende und ausgrenzende Handlungen gegenüber syrischen Flüchtlingen jedoch sukzessive zu. Für viele Syrer, die sich teilweise nicht mehr auf die Straßen trauen, bleibt daher nur eines: Den Weg in die EU wagen.
Das Abkommen zwischen der EU und dem Libanon
Die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge, die vom Libanon aus die EU ansteuert, landet auf der nur wenige hundert Kilometer entfernten Insel Zypern. Insbesondere in den letzten Monaten nahm die Anzahl syrischer Flüchtlinge immens zu: Seit Beginn des Jahres sind über 4.000 Migranten auf Zypern registriert worden. Zum Vergleich: Im Quartal des Vorjahres waren es lediglich 78 Flüchtlinge.
Mit Blick auf die absoluten Zahlen kommen zwar deutlich weniger Menschen auf Zypern als in Italien, Griechenland oder Spanien an; gemessen an der Einwohnerzahl allerdings werden in keinem EU-Land so viele Asylanträge wie auf Zypern gestellt. Aufgrund der restlos überfüllten Flüchtlingslager beschreibt Zyperns Präsident Christodoulidis die Situation als nicht weiter hinnehmbar.
Um die irreguläre Migration in die EU bzw. auf das europäische Festland einzuschränken, hat die Europäische Union nun ein Flüchtlingsabkommen über eine Milliarde Euro mit dem Libanon geschlossen. Die Finanzhilfe soll bis 2027 ausgezahlt werden und primär in Bildung, Gesundheit, Wirtschaft, Sicherheit sowie Grenzschutz des wirtschaftlich schwächelnden Landes fließen. Im Gegenzug soll sich der Libanon, so Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dazu verpflichten, illegale Migration und Schleuser aktiv zu bekämpfen. Die EU möchte dafür legale Migrationswege aufrechterhalten und syrische Flüchtlinge weiterhin geordnet aufnehmen.
Vergleichbare Deals als "ultima ratio"?
Der Libanon ist nicht der erste Staat, mit dem ein derartiges Migrationsabkommen abgeschlossen worden ist: Zuletzt hatte die EU einen 7,4 Millarden Euro-Deal mit Ägypten vereinbart. Zudem bestehen vergleichbare Verträge mit der Türkei, Tunesien und Mauretanien.
Vor allem Flüchtlingsorganisationen haben in der Vergangenheit immer wieder ähnliche Abkommen mit totalitären und korrupten Machthabern kritisiert; "schmutzige Deals" wie diese klammern die zumeist bedenkliche Menschenrechtslage Vorort häufig aus, solange sich möglichst keine Flüchtlinge nach Europa begeben. Zudem sei auch im Falle des Libanon-Deals überhaupt nicht klar, ob das Geld ausreicht, um die Lage im Libanon nachhaltig zu verbessern. Darüber hinaus besteht die realistische Gefahr, dass das Geld unter korrupten Machthabern verteilt wird, anstatt in die Stabilisierung des Landes zu investieren.
Ferner denken die Verantwortlichen in der EU und im Libanon darüber nach, syrische Flüchtlinge wieder nach Syrien zurückzuführen, obgleich die Lage im Land selbst vielerorts weiterhin verheerend ist und viele mit Repressionen seitens des syrischen Geheimdiensts rechnen müssen.
Asyl als bestimmendes Thema bei der Europawahl
Wenige Wochen vor der Europawahl offenbart der ARD-Deutschlandtrend, dass das Thema Flüchtlingspolitik von einem Gros der Menschen als das die Wahl bestimmende Thema erachtet wird. Laut Umfrage spricht sich jeder zweite Wahlberechtigte (51%) für Flüchtlingsabkommen dieser Art aus. 38% hingegen erachten ein solches Vorgehen als falsch.
Unsere Fragen an Euch:
- Wie bewertet Ihr den Deal zwischen der EU und dem Libanon?
- Können Abkommen wie diese die Flüchtlingskrise nachhaltig eindämmen?
- Dürfen moralische Bedenken (z.B. Korruption / Menschenrechtsverletzungen) bei derartigen Verträgen ignoriert werden?
- Welche Maßnahmen zur regulierten Migration in die EU wären Eurer Meinung nach noch denkbar?
- Sollten syrische Flüchtlinge - ungeachtet der politischen Lage im Land - wieder nach Syrien abgeschoben werden?
Wir freuen uns auf Eure Antworten
Viele Grüße
Euer gutefrage Team
Quellen:
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/libanon-fluechtlingsdeal-von-der-leyen-100.html
https://www.tagesschau.de/kommentar/kommentar-libanon-100.html
https://www.zeit.de/politik/ausland/2024-05/eu-libanon-abkommen-fluechtlinge-asyl
https://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend/deutschlandtrend-3422.html
167 Stimmen
37 Antworten
Natürlich klingt die Lage der syrischen Flüchtlinge im Libanon katastrophal und ist es wohl auch.
Aber prekäre, menschenrechtswidrige Situationen gibt es leider an vielen Orten auf diesem Planeten. Und die EU ist nicht schuld am Krieg in Syrien oder daran wie Assad seine Gegner verfolgt. Ebensowenig an der prekären Lage des Libanon und an den dortigen Machthabern.
Man kann wirklich nicht behaupten, dass gerade Deutschland seinen humanitären Verpflichtungen bisher nicht nachgekommen wäre. Seit 2015 hat Deutschland über eine Million syrische Flüchtlinge aufgenommen. Nochmal 1,5 Millionen gehen im Moment aus vielen Gründen einfach nicht.
Es gibt Wohnungsnot in Deutschland und auch bei uns sind Systeme überlastet, eben wegen der großzügigen Aufnahme von Flüchtlingen. Das immer so weiterzumachen stärkt die AfD und das finde ich wiederum gefährlich für unsere Demokratie, Gesellschaft und den Sozialstaat.
Schweren Herzens stimme ich diesen Deals also zu.
... weil es die einzige Vorgehensweise ist, um den in Not befindlichen Menschen zu helfen.
Die Flüchtlichszahlen sind viel zu groß, als daß sie insbesondere in Deutschland von der Gesellschaft insgesamt akzeptiert würden. Ja, es sind nur Teile der Gesellschaft, die es nicht akzeptieren und Fremdenhass schüren. Aber allein dieser Teil der Gesellschaft ist sehr radikal und will insgesamt unser Deutschland verändern - und nicht zum Guten!
Und vom Rest der Gesellschaft kommt überwiegend nur ein Lippenbekenntnis und keine aktive Hilfe, geschweige denn finanzielle Hilfe. - Der Staat soll und wird es schon regeln, so denkt und handelt man zumeist!
Die Menschen müssen in der Region, auch unter schwierigen Bedingungen, bleiben, um anschließend auch wieder beim Aufbau mitzuwirken! Und so sind Abkommen mit u.a. dem Libanon leider notwendig und der einzige Weg!
Wir in Deutschland werden die Masse an Menschen nicht retten können. Wir würden am Ende mit allen im politischen Chaos untergehen und das wollen und dürfen wir nicht zulassen!
Alles was mit EU zu tun hat, darf man getrost als mehr als kritisch betrachten und im Zweifel geht es immer genau gegen den dummen deutschen Michel, der in der Industrie ein Leben lang arbeitet und keine Vorstrafen hat.
Dass es ausgerechnet mit dem islamischen Entwicklungsland Libanon, das primär auf jahrzentelangen Spenden aus den Bildungsstaaten Europas angewiesen und von Ihnen abhängig ist, ein Abkommen gibt, ist sinnbildlich.
So gibt es in Deutschland doch keinerlei Integrationsprobleme mit Japanern, Vietnamesen, Brasilianern, Amerikanern, Israelis, Namibiern und orthodoxen Russen. Seltsamerweise betrifft es also primär bzw. ausnahmelos eine bestimmte patriarchalische Kultur, die hier die Integrationsprobleme verursacht und seit dem 7. Jahrhundert nach Christus noch immer nicht das Zeitalter der Aufklärung und Säkularisierung durchlaufen hat.
Je weiter die Art und Weise wie man aufgewachsen ist, von der mitteleuropäischen Ursprungskultur entfernt ist, desto größer sind die Integrationskosten auf der Aufnahmeland.
Du scherst wohl auch alle Menschen mit islamische Glauben über einen Kamm ...
Der Islam scheint in Kritik an das Judentum/Christentum, die Religionen des Buches entstanden zu sein. Die Kultur des Islams hat maßgeblich mit dem Verhältnis und Irrtum zwischen Christen und Juden zu tun, beziehen sich doch beide weitgehend auf die identischen originalen Schriften. Auch heute noch resultieren die promuslimisch/antimuslimischen Lobbys aus dem Nahostkonflikt!
Das liegt daran das die EU den Arabern erschweren will in die EU zu gelangen. Ironischerweise könnte man den Libanon als Umschlagsplatz für die Arabischen Flüchtlinge sehen. Das gesamte Land liegt am Mittelmeer. Nach Zypern kann man da fast spucken.
Deshalb ist die EU auf die Kooperation mit dem Libanon angewiesen um ihre geopolitischen, Antiarabischen Interessen zu vertreten.
Ansonsten zahlt Deutschland an allerhand Verbrecherischer Regime eine Menge Geld oder macht Geschäfte mit ihnen. Seit 07/10 nahmen z.b. auch die Rüstungsexporte nach Israel zu, obwohl mittlerweile sogar die USA Israel Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen vorwirft und Israel im Verdacht steht, Rüstungsexporte die sie aus den USA bekommen gegen den Völkerrechtswidrigen Angriff auf Palästina einzusetzen.
Die Kritik an Israels Vorgehen im Kampf gegen die Hamas wird immer lauter. Die US-Regierung hat bei fünf israelischen Militäreinheiten bereits vor Beginn des Gaza-Kriegs am 7. Oktober "schwere Menschenrechtsverletzungen" festgestellt. Gleichzeitig gibt es erhebliche Zweifel im US-Außenministerium , ob aus den USA an Israel gelieferte Waffen rechtmäßig eingesetzt werden. Es bestehe der Verdacht, dass bei Militäraktionen der israelischen Armee das humanitäre Völkerrecht gebrochen werde.
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/haftbefehl-netanjahu-israel-100.html
Ehrlich gesagt ist vieles was Deutschland und die EU gerade tut, in höchstem Maße verwerflich. Da ist das Geschäft mit dem Libanon, die Menschen für die EU davon abhalten sollen ihr Menschenrecht auf Asyl zu bekommen, tatsächlich nur die Spitze des Eisberges.
Die gesamte Geopolitik ist mittlerweile so durch unterschiedlichste Interessen miteinander verworren, dass kaum noch einer ohne den anderen kann. Das bringt der Kapitalismus innerhalb einer globalisierten Welt so mit sich.
Wie bewertet Ihr den Deal zwischen der EU und dem Libanon?
Eine weitere Abkehr von den Menschenrechten.
Können Abkommen wie diese die Flüchtlingskrise nachhaltig eindämmen?
Nein
Dürfen moralische Bedenken (z.B. Korruption / Menschenrechtsverletzungen) bei derartigen Verträgen ignoriert werden?
Auf keinen Fall. Getan wird es trotzdem wie oben erklärt.
Welche Maßnahmen zur regulierten Migration in die EU wären Eurer Meinung nach noch denkbar?
Keine. Das einzig sinnvolle wäre die Anschaffung aller Staaten und Nationen und nur noch als Planet Erde zu denken. Aber dafür sind die Menschen nicht weit genug. Gefangen in ihrem kleinen Schachbrettmuster...
Sollten syrische Flüchtlinge - ungeachtet der politischen Lage im Land - wieder nach Syrien abgeschoben werden?
Nein. Asyl ist ein Menschenrecht. Menschenrechte gelten für alle. Sind Syrer und Araber keine Menschen!?
Asyl ist nun wirklich kein Menschenrecht. Ein Menschenrecht ist nur der Schutz vor Abschiebung in die Verfolgung.
Irreguläre Migration = ich will in Deutschland / in der EU leben weil es sich da besser lebt als in meinem Heimatland? Oder = ich lasse mich von einem Schlepper übers Mittelmeer bringen?
Reguläre Migration = ich habe nach Menschenrecht das Recht, nach Deutschland / in die EU zu migrieren, z. B. weil ich um Laib und Leben bangen muss? Oder = ich wandere auf "offiziellen" Wegen ein? (Gibt es so was?)
Wo ist der Unterschied, ob jemand über einen "Menschenhändler eingeschleust" wird oder "normal" über die Grenze tippelt? In beiden Fällen ist er da. In beiden Fällen will er vermutlich auch da sein / hatte er einen Grund zu kommen. In beiden Fällen wird entschieden ob er "rechtens" da ist / bleiben "darf" oder ob er nicht bleiben darf.
Ich verstehe die politische Unterteilung in "reguläre" und "irreguläre" Migration nicht, mir scheint das Augenwischerei zu sein.
Will man insgesamt weniger Migranten im "eigenen" Land haben, muss man es ihnen erschweren, hierher zu kommen und es ihnen dann möglichst unattraktiv machen, hier zu leben.
Ist es einem egal, wie viel Prozent der Bevölkerung in Deutschland "deutsch" ist (sind wir nicht alle ein bisschen Migranten?), ist die Frage nur, wie viel Bevölkerung / Menschen "verkraftet" das Land, bevor es "überbevölkert" ist, nicht "wie viele "Nicht-Deutsche" verkraftet Deutschland".
Will man sich (für die Außenwirkung) auf die Fahnen schreiben "wir sind humanitär", "wir achten die Menschenrechte", .., darf man genaugenommen niemanden abweisen, der an die Tür klopft, wenn es dem Klopfenden schlecht geht (und hier besser gehen könnte).
Ich verstehe nicht, welche Ängste Deutschland / die EU hat: Angst vor dem "Verlust der eigenen Kultur", Angst vor dem "Verlust des eigenen Reichtums / Wohlstands"? Gäbe es keine dieser Ängste, gäbe es doch keinen Grund, Migration regulieren zu wollen, oder? Alles würde sich von selbst regulieren.
Sich mit Geld die Option zu kaufen, weniger Flüchtende aufnehmen zu müssen, wirkt ein bisschen wie der Ablasshandel damals. Oder was ist es anderes als ein "Freikauf", anderen Geld dafür zugeben, dass sie bleiben wo sie sind?
Geld zu "spenden", um in Ländern mit "niedrigerem Lebensstandard" die Inlandssituation so zu verbessern, dass die Menschen gar nicht (mehr) aus ihrem Land weg wollen, ist sinnvoll, wenn man keine dauernden Flüchtlingsströme möchte.
Derartige "Migrationsabkommen" können aber nur bewirken was sie sollen, wenn sichergestellt ist, dass das Geld ausschließlich dafür verwendet wird, die Leute im eigenen Land zu halten. Da liegt das Problem. Wie lässt sich das sicherstellen? Dazu müsste dies auch das Ziel der politischen Führung des jeweiligen Landes sein, sonst würde man ja diplomatische Zwischenfälle riskieren (mit ausländischem Geld die Landesregierung untergraben) oder ignorieren, dass Gelder nicht dafür verwendet werden wofür sie gedacht waren ("spenden" und der Regierung überlassen, wo das Geld investiert wird, hauptsache man kann eine weiße Weste vorzeigen). Das hinzunehmen (und dabei zu sagen, ein "humanitäres Abkommen" geschlossen zu haben) wäre in höchstem Maße heuchlerisch.
Wenn es so ist, dass jeder, der so was wie ein bisschen eigenen Wohlstand hat, Angst hat, diesen zu verlieren, dann wird jeder dieser keine Flüchtlinge in seiner Nähe haben wollen, denn die könnten ja auch einen Teil "seines" Wohlstands für sich beanspruchen wollen oder durch die Mehrung "ihres" Wohlstandes (durch die Möglichkeit hier zu leben) meinen plötzlich sehr mager aussehen lassen. Und wer von uns möchte denn schon (zugunsten von "Fremden") von seinen eigenen Level herunter gehen?
Flüchtlinge gibt es überall dort, wo es einen Grund zur Flucht gibt. Wem es gut geht, der will nicht fliehen. Wenn selbst in einem Land mit freiheitlich demokratischer Grundordnung es scheinbar nicht allen gut geht, wieso haben wir dann so wenig Verständnis dafür wie es denen geht, die nicht in so einem Land leben, und dafür, dass sie auch nur nach einem für sich besseren Leben suchen?
Was ist mit dem Gedanken: Jeder muss sein Leben selbst regeln? Sprich: ein Syrer muss in Syrien dafür sorgen, dass er dort gut leben kann, also sich gegen eine Regierung auflehnen, die ihm ein gutes Leben verwehrt, und ein Deutscher muss das gleiche in Deutschland tun. Dann lebt jeder in seiner Heimat und alles ist gut...
Vermutlich könnten jetzt Menschen, die in Deutschland die "Machtergreifung" vor dem zweiten Weltkrieg bewusst miterlebt haben, eher sagen, wie sich ein Syrer gegen ungerechte Verhältnisse in seiner Heimat wehren kann. Für die meisten, die hier lesen und schreiben (mich eingeschlossen) ist das wohl eher abstrakte Theorie ("dann protestiert man halt und zeigt, dass man sich das nicht gefallen lässt ...").
Und leider muss ich auch immer wieder feststellen, dass unsere lebensart nicht mit der Muslime einhergeht. Ich frage mich sowieso warum ausgerechnet Muslime in christlichen Ländern wohnen wollen.