Meinung des Tages: VW will Werke in Deutschland schließen - wie könnte das Land wirtschaftlich für Unternehmen wieder attraktiver werden?

52 Antworten

Wir realisieren nun in Deutschland langsam, dass unsere Autos niemand in der Welt mehr haben möchte.

"Made in Germany" hat längst nicht mehr die Strahlkraft wie früher. Im Gegenteil. Die Welt fängt sogar schon an, über uns zu lachen.

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Ich sehe das Problem aber nicht allein bei Volkswagen. Es betrifft doch die komplette deutsche Automobilindustrie.

Und nicht nur die - auch den Maschinenbau, die Stahlindustrie oder die Chemieindustrie. Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist leider komplett abgerockt und auf den sterbenden Ast.

Jetzt kann man natürlich nach den Schuldigen suchen.

Natürlich sind es die Manager in den Vorständen, die schon vor 15 Jahren den Dieselskandal verzockt und die Umstellung auf E-Mobilität komplett verschlafen haben.

Natürlich sind es die Politiker, die in Deutschland die neuen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen niemals erkannt und viel lieber immer nur neue Sozialgeschenke für ihre Wiederwahl in Parlamenten verschenkt haben. Politik hat dafür gesorgt, dass nirgendwo auf der Welt die Arbeit durch hohe Abgaben und Steuerlast so teuer ist, wie bei uns.

Natürlich sind es die Gewerkschaften, die sogar jetzt noch, nach der Drohung der Schließung von drei Standorten, immer noch eine 4 Tage-Woche sowie Gehaltserhöhungen von 7% fordern. Und das, obwohl schon in den letzten beiden Jahren erheblich höhere Forderungen durchgesetzt wurden, die wesentlich höher waren, als es die Inflationsrate (aktuell nur 1,9%) jemals gerechtfertigt hat.

Alles richtig. Aber letztendlich tragen Vorstände, Politik und Gewerkschaften nur eine Teilschuld. Hauptschuld ist unsere deutsche Gesellschaft. Wir müssen uns endlich klar machen, dass die Bevölkerung in Deutschland einfach nicht bereit ist für Veränderungen.

Die Welt um uns herum verändert sich überall dramatisch. In einer enormen Geschwindigkeit, auch in der Außen- und Sicherheitspolitik.

Aber ich habe zunehmend den Eindruck, dass uns das alles nicht interessiert. Wir wollen in unserer gemütlichen Wohlstandsblase verharren, in der wir bis Ende der 1990er Jahre gelebt haben.

Aber egal was es ist, ob Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Gesundheitspolitik, Energiepolitik, Klimapolitik, Migrationspolitik, Sicherheitspolitik oder Außenpolitik - unserer Gesellschaft in Deutschland fallen keine neuen Konzepte mehr ein.

Die Menschen in Deutschland verharren aber lieber in einem Schockzustand und träumen weiterhin von vergangenen Zeiten, wo es uns wirtschaftlich gut ging. Andere wiederum suchen Zuflucht bei radikalen Parteien, die natürlich auch keine Lösungen haben und den Karren nur noch viel mehr in den Dreck ziehen werden.

Ich sehe leider keine gute Zukunft für Deutschland.

Wahrscheinlich muß es uns erst noch sehr viel schlechter gehen, bis wir aufwachen und endlich in Deutschland wieder ein neuer hoffnungsvoller wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Aufstieg möglich ist.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – interessiere mich sehr für politsche Themen
 - (Recht, Politik, Geld)

Paddypb76  29.10.2024, 14:39

Auch wenn ich es etwas anders sehe, aber im Kern gebe ich dir im Grunde genommen recht.

Aber auch wenn alles komplett umgebaut wird, heißt es noch lange nicht, daß auch alles Positiv in Zukunft funktioniert und davor haben alle Angst.

Bluemie  29.10.2024, 14:43
@Paddypb76

Ich weiß. Ich habe auch alles bewußt etwas überspitzt dargestellt.

Trotzdem. Ich vermisse den Ruck, der endlich mal durch unsere Gesellschaft gehen muss. Alle haben Angst vor der Zukunft, statt endlich mal die Ärmel hochzukrempeln.

Paddypb76  29.10.2024, 16:15
@Bluemie

Die Frage kommt doch nur auf, warum überhaupt für noch weniger Lohn arbeiten sollte, als man eh schon Schwierigkeiten hat, damit sein Lebensunterhalt zu versorgen.

Das z.B. Bürgergeldempfänger nur diese bestimmte Leistng hat, kommt nicht von ungefähr, aber man kommt dennoch nicht damit voran, somit würde man Gefahr laufen, wenn man für noch weniger Geld arbeiten gehen würde, wenn man im voraus schon bereits weiß, das man damit nicht klar kommen würde, sowie man ein noch Niedrigen Lohn bekommen würde.

Diese Differenz bekommt man von Niemanden.

Wenn sich was ändern müsste und alle sollten arbeiten und das ohne Ausnahme, dann müsste man sich darüber Gedanken machen, ob es nicht erstmal angebracht wäre, wenn alle den gleichen Niedrigen Lohn bekommen und dann entsprechend angleicht.

Wer für noch weniger Geld arbeiten tut, das was man im Monat hat, würde es gleichzeitig bedeuten das man die jenige Person Wertlos abstempeln tut. Davor hat man Angst, das dann letztendlich für Wertlos angesehen wird, als man es bereits schon ist.

Es wäre sehr fatal für noch mehr durch Arbeitsstunden zu arbeiten, weil je mehr Stunden gearbeitet wird, somit wird auch gleichzeitig der Stundenlohn gesenkt. Darauf will man ja immerhin abzielen. Letztendlich läuft man Gefahr das die Strukturen der Lebensplanung auseinander bricht und durch den fehlenden Nachwuchs dementsprechend auch nicht mehr gedeckt werden kann.

Wenn alle immer noch mehr Arbeitsstunden arbeiten würden bzw. müssten, dann hätte Niemand mehr Zeit sich um den Nachwuchs zu kümmern bzw. zu Sorgen. Deswegen würde auch der Nachwuchs dadurch fehlen, weil die Finanziellen Mittel durch Lohnsenkungen nicht mal Ansatzweise gedeckt wären. Aus diesen Grund haben viele vor der Zukunft sehr große Angst, nicht vor der eigentlichen Veränderung, sondern vielmehr, daß die Finanziellen Kapazitäten nicht mehr ausreichend gedeckt sind.

So sind sie, die Nieten in Nadelstreifen (um Herrn Ogger zu zitieren): Wenn's nicht klappt, haben die anderen Schuld und wenn die Gewinne sprudeln war es ihr mit Millionenzahlungen zu vergütendes Genie.


PlueschTiger  29.10.2024, 12:41

Nicht zu vergessen das VW, wie ich las noch vor dem Problem ca. die Menge an Geld die fehlt ca. 5 Milliarden an Dividenden auszahlte. Das zeigt schon wo die Prioritäten von VW liegen, zumal die Eigentümer vermutlich gleichzeitig auch Aktionäre sind.

Bluemie  29.10.2024, 13:48
@PlueschTiger
zumal die Eigentümer vermutlich gleichzeitig auch Aktionäre sind.

Tja, das ist nunmal eine Eigenschaft von Aktiengesellschaften.

Übrigens, mit 20% ist der Hauptaktionär das Bundesland Niedersachsen. Und der Ministerpräsident ist automatisch auch Mitglied des Aufsichtsrates. Das ist sogar per Gesetz festgeschrieben.

Das bedeutet, der größte Batzen der Dividendenzahlung (waren insgesamt 4,5 Millarden) ging an das Land Niedersachsen.

realfacepalm  02.11.2024, 20:46
@Bluemie

Stimmt halt einfach nicht. Den größten Anteil haben sich die notleidenden Milliardäre der Famile Porsche / Piëch eingeschoben.

Bluemie  04.11.2024, 09:38
@realfacepalm

Ja gut. Niedersachsen ist nur der zweitgrößte Aktiomär.

Das aber macht es nun auch nicht besser.

Was denkt Ihr, wie VW in dieser Situation agieren sollte? 

Das ist als Außenstehender nicht gut zu beurteilen, VW handeln halt wirtschaftlich, den Fehler würde ich also eher in der Ursache suchen, die dazu führte, dass VW diese Pläne nun so umsetzt.

Das kann zum Beispiel das bevorstehende Verbrenneraus sein, das VW nicht mitmachen wollen und so eben dann entweder ein Problem bekommen oder woanders produzieren, wo es weiterhin ging.

Und das ist nicht VWs Schuld allein, denn die Nachfrage nach Verbrennern wäre definitiv da.

Wie könnte man Deutschland als Produktionsstandort für Unternehmen lukrativer machen? 

Schluss mit Ideologiepolitik, die Deutschland als wirtschaftlichen Standpunkt zusehends ruiniert.

Wie können deutsche Großunternehmen mit den Märkten und der rasanten Entwicklung im Ausland mithalten? 

Indem eben wirtschaftlich gehandelt wird, statt einer nicht rentablen Transformation nachzurennen, die in dieser Form !!KEINER!! sonst machen will. Aus gutem Grund.

Denkt Ihr, dass noch weitere Schließungen – abseits von VW – in den kommenden Jahren Thema sein werden? 

Ja, weil Deutschland für jeden Selbstständigen immer problematischer wird und sich für so ziemlich jedes Unternehmen im Ausland besser Geld verdienen lässt.

Und ich habe erhebliche Zweifel, dass wir zeitnahe realistisch mit dem Thema Energie und dergleichen umgehen. Also wird weiter sanktioniert, verworfen und zuerst an unrealistische Utopien gedacht, während das Ausland eben so weitermachen wird, wie bisher.

Zudem ist Innovation in Deutschland auch immer mehr ein Problem, abgesehenen von horrenden Steuern.

VW hat Werke aus Zeiten, in denen 12 Millionen Fahrzeuge im Jahr verkauft werden sollten. VW verkauft aber kaum mehr 9 Millionen Autos und die Märkte sind weltweit nicht durch explodierende Zulassungszahlen gesegnet.

Nach 10 Jahren mit Dieselgate, Corona, Wirtschaftsabschwung in China und mittlerweile dem Erstarken von Kriegen weltweit, kann sich VW diese Überkapazitäten halt auch nicht mehr leisten.

Das schmerzt die Betroffenen sehr, aber VW muss in einem Wettbewerb bestehen, wo der Chinesische Staat einfach mal umgerechnet 100 Milliarden Euro als Markteroberungs-Subvention in BYD steckt.

Wer ein Restaurant leitet, das jeden Abend mit Kellnern und Köchen 500 Gäste versorgen könnte, aber es kommen jeden Abend nur 50 Gäste, muss auch schauen, wie er sich auf die realistischen Kundenzahlen gesund schrumpft.


Thunder4609  31.10.2024, 08:29
Nach 10 Jahren mit Dieselgate, Corona, Wirtschaftsabschwung in China und mittlerweile dem Erstarken von Kriegen weltweit, kann sich VW diese Überkapazitäten halt auch nicht mehr leisten.

aber Boni und millardenfache Dividenden von  4.5 Mrd.  an die Aktionäre

das kann sich VW trotz der ganzen Dinge die du aufgezählt hast locker leisten

ist schon komisch, das am Ende immer der kleine Arbeiter bluten muss

Norbert981  29.10.2024, 14:26

Für 100 Milliarden für BYD aus dem chinesischen Staat? Woher weißt du das? Nein, das stimmt leider einfach nicht.

Die jährlichen Subventionen in die Automobilindustrie belaufen sich alleine in Deutschland laut Umweltbundesamt jährlich auf 17 Milliarden Euro. Gebaute Autos pro Jahr in Deutschland: ca. 4-5 Millionen

Chinas Subventionen für Autobranche jedes Jahr: ca. 43 Milliarden Euro (Titelgeschichte von Magazin Focus der letzten Wochen hat diese Zahl genau berichtet). Gebaute Autos pro Jahr in China: ca. 25 Millionen.

Die Durchschnittliche Subvention eines Autos in China (ca. 1700 €) liegt daher deutlich unter der in Deutschland (ca. 3800€).

Ich stehe einem wirtschaftsmodell, das darauf basiert, möglichst oft möglichst viele neue autos zu verkaufen, kritisch gegenüber. Der drang, alle paar jahre ein neues auto haben zu müssen, führt nur zur ressourcenverschwendung.

Wenn wir die mobilität weniger auf dem zwang zum eigenen auto aufbauen und stattdessen als dienstleistung verstehen, dann wird es auch möglich sein, ohne ein solches in jeden winkel zu kommen und dafür keine taximondpreise bezahlen zu müssen. Wenn dennoch jemand ein eigenes fahrzeug benötigt, sollte dies einige jahrzehnte die option für hard- und softwareupdates zu haben. So wird es bei der eisenbahn gemacht, mit einem gründlichen midlife refurbishment sind einsatzzeiten von 40 bis 50 jahren nötig. Einfach alle verschlissenen oder technisch veralteten komponenten erneuern; von der substanz kann (wenn entsprechend solide konstruiert) dann noch sehr viel verwendet werden.

Allein die überfällige mobilitäts- und energiewende erfordert sehr viele qualifizierte arbeitsplätze, vielleicht tatsächlich eher im dienstleistungs- als im produktionssektor. Wer ärgert sich nicht darüber, ewig mit niemandem reden zu können, um ein problem zu lösen, und stattdessen in nutzlosen warteschleifen mit pseudo-KI zu hängen?

Also, ohne einen umbau der gesamten industrie wird es nicht gehen, entweder wird dieser aktiv angepackt oder er passiert eben auf eine weniger angenehme weise, indem unternehmen pleite gehen und werke geschlossen werden.