Irrationaler Akt oder Gamechanger? Joe Biden erlaubt Einsatz von US-Raketen in Russland

Nun also doch?! Nach Monaten des Bittens erhielt die Ukraine nun die Genehmigung des US-Präsidenten Joe Biden, amerikanische ATACMS-Raketen auf russisches Staatsgebiet abfeuern zu dürfen. Die Entscheidung hierfür wurde maßgeblich durch die nordkoreanische Einflussnahme im ukrainisch-russischen Krieg befeuert. Natürlich wollten wir dieses komplexe und brisante Thema im Zuge unserer Meinung des Tages mit der gutefrage Community ausführlicher diskutieren...

gutefrage-Redaktion
22.11.2024
Soldat Schlachtfeld

Überraschender Kurswechsel der USA

Die Nachricht zu Beginn der Woche kam für viele, allen voran den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, womöglich mehr als überraschend: Nach monatelangen Hilferufen und Appellen seitens der ukrainischen (Militär-)Führung genehmigte der scheidende US-Präsident Joe Biden nun doch den Einsatz von US-Distanzwaffen auf russisches Staatsterritorium. Bislang wurde den ukrainischen Streitkräften sowohl von den USA als auch den weiteren westlichen Verbündeten strengstens untersagt, westliche Waffensysteme für Angriffe auf russisches Staatsgebiet einzusetzen.

Angesichts massiver Gebietsverluste in den letzten Monaten sowie täglicher Drohnen- und Raketenangriffe von russischer Seite betonte Selenskyj seinen Partnern gegenüber mehrfach die Bedeutung von gezielten und schlagkräftigen Angriffen auf russische Stellungen und Munitions- und Versorgungsdepots im Landesinneren. Auch Deutschland bat der ukrainische Staatsmann in der Vergangenheit vielfach, das Land mit deutschen Taurus-Marschflugkörpern zu unterstützen. Aus Sorge vor einer weiteren Eskalation des Krieges jedoch weigerte sich Bundeskanzler Olaf Scholz bislang, den Einsatz der deutschen Waffe zu genehmigen.

Die Änderung der bisherigen strikten US-Linie steht u.a. unter dem Vorzeichen des kommenden US-Präsidenten Donald Trump, dessen Haltung zur und Vorgehensweise in der Ukraine bislang schwer eingeschätzt werden kann. Im Zuge seines Wahlkampfes betonte dieser mehrfach, den Ukrainekrieg "innerhalb von 24 Stunden" beenden zu wollen.

Weißes Haus

Nordkorea nimmt am Kriegsgeschehen teil

Selbstverständlich kann das "GO" für den Einsatz der amerikanischen Waffen durchaus als womöglich letztes großes außenpolitisches Aufbäumen der noch demokratisch geführten USA verstanden werden. Mehreren Quellen zufolge jedoch lag der wesentliche Grund für die plötzliche Zusage Bidens hauptsächlich in der Involvierung Nordkoreanischer Streitkräfte in den Krieg.

Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-Un rief sein Militär jüngst dazu auf, sich "auf die Vollendung der Kriegsvorbereitungen" zu konzentrieren. Der politische Antagonist der USA beschuldigte die Amerikaner und Südkoreaner, die derzeitigen Spannungen in Korea "auf den schlimmsten Stand in der Geschichte" gebracht zu haben.

Experten vermuteten bereits seit längerem, dass das global weitgehend isolierte Nordkorea seinen Verbündeten Russland seit geraumer Zeit mit Munition und Artillerie unterstützen würde. Dass Nordkorea Russland die Tage allerdings auch in personeller Hinsicht in Form von Soldaten zur Seite steht, dürfte ein Novum darstellen und die Dynamik des Krieges noch einmal nachhaltig verändern. Zuletzt ratifizierten Nordkorea und Russland ein weitreichendes Abkommen, in welchem sich die beiden Länder ihre gegenseitige militärische Unterstützung zusicherten.

Der südkoreanische Geheimdienst beobachtete vor wenigen Wochen massive nordkoreanische Truppenbewegungen in Richtung Russland. Mittlerweile sollen sich ca. 10.000 Nordkoreanische Soldaten im Kriegsgebiet befinden, wovon einige bereits in der Region Kursk auf russischer Seite gegen die Ukraine eingesetzt werden.

Laut übereinstimmenden Medienberichten ist der vom US-Präsidenten gebilligte Einsatz von amerikanischen ATACMS-Raketen bisher lediglich auf die genannte Region zur Eindämmung einer geplanten russischen und nordkoreanischen Gegenoffensive beschränkt. Ob und inwieweit die US-Raketen in Zukunft auch an anderen Frontlinien zum Einsatz kommen, ist derzeit noch offen.

Konferenz

Internationale Reaktionen

Der ukrainische Präsident Selenskyj äußerte sich wenige Stunden nach Bekanntwerden der neuen US-Pläne in seiner täglichen Videoansprache eher indirekt zu den Berichten. Hier verwies er zwar auf die zahlreichen Medienberichte, kommentierte diese jedoch nicht weiter und versprach, dass "die Raketen [indes] für sich selbst sprechen" werden.

Obgleich seitens des russischen Präsidenten oder seines Pressesprechers Dmitri Peskow keine Reaktion auf die neuen - und für Russland womöglich gravierenden - Neuigkeiten folgten, konnten dessen ungeachtet einige kritische Stimmen zum Thema aus Russland vernommen werden: Leonid Sluzki, Vorsitzender des Ausschusses für Internationale Angelegenheiten, warnte der Nachrichtenagentur TASS gegenüber, dass der Einsatz von US-Raketen auf russischem Boden schwerwiegende Folgen nach sich ziehen könnte.

Der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Internationale Angelegenheiten des russischen Föderationsrates, Wladimir Jaboraw, äußerte sich noch drastischer und warnte hinsichtlich dieser politischen Entscheidung Bidens vor der Gefahr eines Dritten Weltkriegs.

Auf Seiten der polnischen Regierung hingegen befürwortete man die Entscheidung des Noch-Präsidenten Joe Biden. Polen zählt - neben den baltischen Staaten - zu den wohl größten Befürwortern von härteren militärischen sowie wirtschaftlichen Maßnahmen gegenüber Russland. Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski schrieb auf X, dass Biden mit seinem "GO" auf die Entsendung nordkoreanischer Soldaten "in einer Sprache geantwortet [hätte], die [ . ] Putin" verstehen werde. Darüber hinaus verwies er auf den Umstand, dass "das Opfer einer Aggression [grundsätzlich] das Recht [besäße], sich [ . ] verteidigen" zu dürfen.

Für den früheren NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark kommt Joe Bidens Entscheidung grundsätzlich zu spät. Dennoch vertritt dieser die Meinung, dass die vehemente US-Unterstützung der Region Kursk der Ukraine bei möglichen Friedensverhandlungen sowie den Gesprächen eines Nachkriegs-Szenarios prinzipiell in die Karten spielen würde.

Konferenz

Droht eine größere Eskalation des Krieges?

Ob sich der Krieg in der Ukraine in den nächsten Monaten auf einen eventuell größeren oder gar globaleren Krieg ausweiten könnte, ist derzeit völlig offen. Wie es mit und in der Ukraine weiter geht, hängt maßgeblich von der Rolle des kommenden US-Präsidenten Donald Trump ab. Während einige Politexperten eine völlige Abkehr der militärischen Unterstützung oder gar ein Ausscheren aus der NATO befürchten, gibt es wiederum andere Stimmen, die eine noch vehementere - und ggf. konfliktbeladenere - amerikanische Unterstützung der Ukraine vermuten.

Ziemlich sicher jedoch dürfte sein, dass Bidens Erlaubnis für den Einsatz von US-Waffen auf russisches Gebiet die europäischen Partner unter Zugzwang bringen bzw. diese zu gleichgearteten Handlungen motivieren könnte. Neuesten Medienberichten zufolge wurden vor wenigen Tagen offenbar britische Storm-Shadow-Marschflugkörper auf russische Stellungen abgefeuert. Und auch für Deutschland dürfte sich in den nächsten Wochen erneut die Frage nach möglichen Lieferungen von Taurus-Marschflugkörpern in das gebeutelte Kriegsland stellen...

Mann am Laptop

War die Genehmigung für den Waffeneinsatz sinnvoll? Die gutefrage Community diskutiert

Ziel unserer Meinung des Tages ist es, die Community zwischen Montag und Freitag mit aktuellen Themen aus den Bereichen Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Kunst und Kultur zum Diskutieren anzuregen.

Ein derart wichtiges politisches Thema eignete sich demzufolge äußerst gut dafür, die Stimmung unserer Nutzer einzufangen.

Die Nutzer Mertis, Aabadon und VanessaF242 befürworten die Entscheidung des US-Präsidenten:

Weil es eigentlich eine militärische (als auch rechtliche) Selbstverständlichkeit ist, die Basen im Hinterland, von denen aus man angegriffen wird, zu attackieren um die Angriffe des Feindes zu unterbinden. Das ist ein ganz normale und eben selbstverständlicher Bestandteil einer Verteidigung.

Dass man sich selbst zu so einer absolute Selbstverständlichkeit erst nach Jahren durchringen konnte, zeigt mehr als deutlich wieso die Ukraine diesen Krieg verlieren wird (meiner Meinung nach). Russland wartet nicht mehrere Jahre auf die Erlaubnis ukrainische Stellungen in der Ukraine angreifne zu dürfen...

Zur Antwort

endlich! Putin führt den Westen an der Nase herum, opfert tausende seiner eigenen Leute und bringt Krieg und Terror in ein souveränes Land.

Es ist nur gerecht, dass die Ukraine sich mit allen erdenklichen Mittel zur Wehr setzen kann. Schlimm genug, dass der Westen zu lange nicht genug getan hat. Nur wenn man gegen Russland volle Härte zeigt, wird es erkennen, dass dieses Vorgehen nicht zielführend ist und auch andere werden dann erkennen, dass sie solche Überfälle bitter bereuen werden.

Zur Antwort

Das ist nach Putins Eskalation ein völlig richtiger und längst überfälliger Schritt, um den russischen Aggressor endlich in die Schranken zu weisen. Völkerrechtlich ist es im Rahmen der kollektiven Selbstverteidigung erlaubt und völlig legitim. Ich hoffe die Ukraine beginnt sofort, die russichen Nachschubwege und Raketenstellungen auszuschalten, von wo der russische Terror gegen die Ukraine ausgeht. Das rettet viele Menschenleben und gibt der Ukraine die Chance, sich wirksamer gegen Putins völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu verteidigen.

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Eine etwas andere Sicht auf das Thema haben hologence und Thomas Richter:

wieder mal eine Eskalation und eine Steilvorlage für Putin, auf den bösen Westen zu zeigen, aber leider ohne Alternative, denn ein Frieden mit Territorialgewinn für Putin wird ihn nur ermutigen, das Ganze ein paar Jahre später zu wiederholen und weiterzumachen. Alle rufen nach Verhandlungen, aber sie müssen in einer Sprache stattfinden, die Putin auch versteht.

Zur Antwort

Es sind beide (Selenskyj, Putin) einfach nur dickköpfig und niemand will auf den anderen zugehen und ihn auch anhören / verstehen lernen. Man müsste beide mal für paar Wochen in ein Haus einsperren, damit sie wirklich mal ohne Medienecho den Kontakt zueinander finden. Wenn jeder den ganzen Tag in seinem Büro sitzt und über den anderen schimpft wird sich an der Situation nicht viel ändern. Letztendlich geht es ja sowieso nur um Territorium - müssen dafür Menschen sterben? Unsere Erde ist ein Planet, wo sowieso alle drauf wohnen, deswegen wird der Platz auch nicht größer. Kriege waren schon immer nur eine Verschieberei von Ländergrenzen. Wegen mir bräuchte es grundsätzlich überhaupt keine Ländergrenzen, wir sind ein vielschichtiges Volk und die einzelnen Regierungen sollten als globale Regierung zusammen arbeiten ohne immer nur auf "sich" und "sein Volk" zu schauen. Jeder Mensch ist genauso viel Wert, egal in welchem Land er sich befindet. Klar ist das unter den aktuellen Bedingungen schwierig, aber es wäre eine schöne Vorstellung.

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Kritisch wird die Entscheidung hingegen von DerRealist375, User591027 und warai87 gesehen:

Ich sehe es kritisch. Dieser Krieg kann nur durch Diplomatie beendet werden. Die Geschichte hat gezeigt das man mit Sanktionen und Waffenlieferungen den Krieg nur künstlich in die Länge zieht. Mit entmilitarisierten Zonen an der Grenze, wenn die Krim russisch bleibt und Donbass ukrainisch als Kompromiss könnte ein Fridensvertrag erstellt werden und das gegenseitige Tötet hätte ein Ende. Aber Krieg ist halt immer eine Geld Maschine die denjenigen Profit bringt die selbst nicht an der Front kämpfen müssen und in Luxus leben.

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Ich sehe diese Entscheidung sehr kritisch. Sie führt zu weiterer Eskalation und Blutvergießen. Letztendlich werden wir als Folge solcher Eskalation auch Ziel von Distanzwaffen russischer Herkunft. Die Menschheit lernt einfach nicht dazu.

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Dass der Einsatz nordkoreanischer Soldaten den Ausschlag gegeben hat, ist meiner Meinung nach eine Ausrede, die so lahm ist, dass es ein bisschen peinlich ist. Weitaus entscheidender wird der Ausgang der Wahl in den USA gewesen sein.

Ich verstehe, dass diverse Interessengruppen darauf gedrängt haben und es auch immer noch tun, weil schlicht und ergreifend Russland umgekehrt dasselbe tut - Waffen und Soldaten aus diversen Ländern, die eingesetzt werden in Gegenden, die weit außerhalb der Regionen liegen, die Russland offiziell ursprünglich erobern wollte (dass es mittlerweile um die komplette Ukraine geht, ist auch klar).

Dennoch IST es eine Eskalation, und genau die wollten wir ja eigentlich alle vermeiden. Diesen Weg der Eskalation zu gehen ist eine Entscheidung, die man meiner Meinung nach nur treffen sollte, wenn man auch gewillt ist, diesen Weg bis zum Ende zu gehen. Genau darüber habe ich aber insbesondere vor dem Hintergrund des anstehenden Kurswechsels der USA meine starken Zweifel. Wenn im Februar keine Waffenlieferungen aus den USA mehr erfolgen, dann steht die Ukraine da mit dieser Eskalation, die Putin 100%ig als Anlass nehmen wird, seinerseits weiter zu eskalieren.

Man darf meiner Meinung nach wirklich eines nicht vergessen: für die US-Amerikaner ist der Krieg in der Ukraine etwas, das sie nicht persönlich betrifft, sondern nur ideologisch. Und Ideologie kann man über Bord werfen, wenn es um das eigene (politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche,…) Überleben geht. Für Europa ist es ein Krieg, der längst an der EU-Außengrenze angekommen ist. Wenn die Kehrtwende kommt - und ich sehe momentan keinen Grund, weshalb sie nicht kommen sollte - werden natürlich in erster Linie die Ukrainer die Leidtragenden sein, aber in zweiter Linie die EU. Und alle daraus resultierenden Probleme werden für uns on top kommen zu allem, womit wir uns jetzt bereits herumschlagen müssen und es aller Voraussicht nach noch zusätzlich tun werden müssen ab Januar. Nun wird das zusätzlich auch noch in die heiße Phase des Wahlkampfes in Deutschland fallen und ich muss denke ich nicht darauf hinweisen, welcher speziellen Partei das sehr, sehr nützen könnte…

Und ich hoffe stark, dass die Verantwortlichen das berücksichtigen, wenn sie sich jetzt dazu äußern oder Entscheidungen treffen.

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Wie Du siehst, handelt es sich hierbei um ein politisch höchst brisantes Thema, zu dem es eine Vielzahl an unterschiedlichen Meinungen innerhalb der Community gibt. Möchtest auch Du Deinen persönlichen Standpunkt hierzu mit den gutefrage Nutzern teilen? Dann wirf gerne noch einmal einen Blick auf unsere Meinung des Tages.

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