Meinung des Tages: Pilotprojekt in Sachsen - kann Schule ohne Noten funktionieren?
Schon in jungen Jahren erleben Menschen in unserem Bildungssystem Druck – die Noten müssen stimmen, sodass der Übertritt in eine weiterführende Schule möglichst reibungslos vonstattengeht. In Sachsen gibt es nun ein Pilotprojekt – elf Schulen testen vier Jahre ein Bewertungssystem, das ohne Noten auskommen soll.
Warum auf Noten verzichtet werden soll
Einer der Schulleiter ist Gordon Alisch. Gemeinsam mit Eltern und Lehrern hat er die Entscheidung getroffen, dass es für den Zeitraum von mindestens vier Jahren keine Noten geben soll. Dies betrifft die Fächer Musik, Kunst, Werken, Sport, Ethik, Englisch und Religion. In Mathematik, Deutsch und Sachkunde soll die Regelung aber nicht gelten. Denn diese Fächer sind relevant für die Empfehlung für weiterführende Schulen.
Alisch erhofft sich dennoch, dass von den Kindern durch den Versuch ein wenig Druck weggenommen wird. Gleichzeitig erläutert er aber auch, dass Kinder immer mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen an die Schule kommen. In seinen Augen seien Noten nicht dafür geschaffen, einen passenden Eindruck abzubilden.
Das ist das „neue“ Bewertungssystem
Das Wichtigste im neu erarbeiteten Bewertungssystem sind die „Einschätzungsbögen“. Etwa im Fach „Werken“ geht es hierbei um 17 unterschiedliche Punkte von „zeigt Einfallsreichtum und individuelle Lösungen“, zu „erkennt und findet Fehler an technischen Objekten“ bis hin zu „kennt Einsatzbereiche von Holz- und Kunstwerkstoffen“.
Die Bewertungen funktionieren dabei mit Symbolen. Insgesamt gibt es vier – begonnen mit einem zarten Pflänzchen, das eben aus dem Boden keimt, endend mit einem ausgewachsenen Baum. Die Entwicklungsstufen der Pflanze sollen dann wiederum den Entwicklungsstand verschiedener Fähigkeiten und Kompetenzen der Kinder widerspiegeln.
Gemischte Reaktionen
Die Lehrer haben recht aufgeschlossen reagiert. Schnell war eine übereinstimmende Meinung gefunden, dass man den Versuch gerne wagen würde.
Anders sieht es bei den Eltern aus – die Überzeugung hielt sich zuweilen in Grenzen. Viele waren nicht begeistert, haben mit den Lehrern Fachgespräche geführt und selbst viel recherchiert. Dagegen war beispielsweise Uta Neumann. Sie ist auch immer noch nicht überzeugt von dem Konzept, findet, dass Kinder bei Zensuren Klarheit haben und genau wissen, wo sie stehen.
Letztlich hat der Elternrat dem Vorhaben aber zugestimmt. Der Tenor dabei war, wenn man es nicht probiert, kann man auch nichts herausfinden. Begleitet wird der Versuch übrigens auch wissenschaftlich von der TU Dresden.
Unsere Fragen an Euch:
- Was haltet Ihr vom Konzept?
- Wie bewertet Ihr die Auswahl der notenfreien Fächer? Sollten Deutsch oder Mathe z.B. auch ohne Note auskommen?
- Würdet Ihr Eure Kinder auf eine Schule ohne Noten schicken, bzw. wärt Ihr vielleicht selbst lieber auf solch eine gegangen?
- Kann mit dem Konzept wirklich Druck von den Schülern genommen werden oder verlagert sich dieser?
- Welche Problempunkte seht Ihr dabei?
Wir freuen uns auf Eure Beiträge.
Viele Grüße
Euer gutefrage Team
215 Stimmen
68 Antworten
Erst dachte ich "Oh, was Neues" und dann lass ich "Dies betrifft die Fächer Musik, Kunst, Werken, Sport, Ethik, Englisch und Religion." Das sind für mich Fächer, wo Noten eh keinen Sinn machen. Entweder du hast die Leidenschaft und oder das Talent dafür oder eben nicht.
Das mag ich generell nicht an breit gefächerten Schulsystemen. Sie vermitteln einfach zu viel, was einen nicht mehr interessiert. Ich weiß, dass das am Ende der Schulzeit viele Möglichkeiten offen lässt, die eigentliche Leidenschaft aber auch begraben werden kann unter zu viel Stoff.
Als angehender Lehrer lese ich mich gerade in dieses Thema ein, hierzu kann ich das Buch "Lernen ohne Noten: Alternative Konzepte zur Leistungsbeurteilung" empfehlen. Amazon Link zum Buch
Englisch? Ist in der heutigen Zeit schon sehr wichtig und für viele Berufe ist ein nachweißbar gutes Englischniveau notwendig. Bei allen anderen Fächern gebe ich dir recht
Schulnoten bilden sowieso nicht dein Können in dem jeweiligen Fach richtig ab. Schau mal, du machst deinen Realschulabschluss, da zählt nur die letzte Note aus der 10. Klasse vielleicht auch noch aus der 9. für deine Arbeitgeber, was ist aber mit den Jahren davor? Was wenn du in den letzten beiden Klassen Themen in der Musik hattest, die für den Job nicht wichtig sind, du aber dort eine 4 bekommen hast und in den Jahren davor immer 2er und 1 er?
Man könnte das ganz einfach regeln, indem man die Verantwortung denen zuschiebt, die Suchen. Als Arbeitgeber kannst du doch viel leichter Tests entwerfen und die von den Leuten machen lassen. Dann weißt du, was der Schüler kann nach deinen eigenen Anforderungen.
Es geht auch darum, Potential frühzeitig zu erkennen. Wieso eine Realschule besuchen, wenn eine Schule, die sich auf Sport spezialisiert hat wesentlich besser geeignet wäre?
Arbeitgeber bieten unzählige Förderprogramme. Anerkennung finden diese dabei nur im eigenen Haus. Das erschwert sowohl, höhere Gehälter auszuhandeln, als auch die Bewerbung in einem anderen Unternehmen. Solltest du unfreiwillig eine Stelle verlieren ist das besonders ungünstig.
Ich glaube jetzt redest du gerade komplett an meinem Kommi vorbei.
Weiß nicht genau, was du meinst. Generell sind es keine Noten, die entscheiden, ob man den Job bekommt oder nicht. Noten können ja noch nicht mal vorhersagen, ob man Arbeitgeber wird oder Arbeitnehmer. Insofern müssen Noten gar nichts können, nur der Mensch, der muss etwas können.
l. Dies betrifft die Fächer Musik, Kunst, Werken, Sport, Ethik, Englisch und Religion. In Mathematik, Deutsch und Sachkunde soll die Regelung aber nicht gelten
ich glaub des is des ausschlaggebende daran. musik, kunst, werken, sport und ethik/religion sind ... ganz ehrlich... ziemlich belanglos. dafür keine noten zu geben macht kein unterschied.
english hingegen würde ich schon benoten. is in der heutigen zeit einfach zu wichtig.
grundsätzlich find ich die idee für manche fächer nicht verkehrt. nimmt den druck besonders für fächer die für die zukunft relativ wenig bedeutung haben. wichtige fächer, die auch bissl die grundlage für spätere berufe sind, die würde ich benoten. sonst lassen sich (denke ich) zu viele fallen weil durchkommen tun se ja sowieso
Verstehe nicht, was so neu daran sein soll. Auch in Sachsen gibt es z.B. Montessori-Schulen. In diesen wird schon seit Jahrzehnten unter Beweis gestellt, dass Schule ohne Noten funktionieren kann.
Wichtig: "Ohne Noten" heißt nicht "ohne Rückmeldung"—weder in der Schule aus dem Artikel noch in Montessorischulen—und darum geht es doch, finde ich. Einerseits weiß ich aus meinem Umfeld, dass es Kinder gibt, die durch Notenstress extrem unter Druck gesetzt wurden. Andererseits halte ich es für nebesächlich, wie genau man die Rückmeldung nennt oder darstellt. Wichtig ist ein positives, verständisvolles, aufgeschlossenes Klima und die Möglichkeit, den Kindern die Zeit zuzugestehen, die sie brauchen. Wenn der neue Anstrich dafür sorgt, die "neue" Philosophie zu fördern, ist das womöglich eine gute Sache.
Gerade bei Fächern wie Sport und Kunst usw. sollte es meines Erachtens sowieso vor allem darum gehen, zu vermitteln, was möglich ist. Ein Schüler, der keinen Bock aufs Zeichnen hat, wird wahrscheinlich noch weniger Bock darauf haben, wenn er für seine bocklose Arbeit eine 6 kassiert. Gerade solchen Tätigkeiten geht man doch aber nach, wenn man auch Freude daran hat. Wobei Freude am Tun natürlich eine gute Voraussetzung für jedes Tun ist.
Super Antwort!
Wir sollten nicht vergessen, dass ein Lehrer in erster Linie ein Pädagoge ist und kein KZ-Leiter
Die Schule ist ein Ort der Bildung und kein Konzentrationslager
Es geht um Vermittlung und nicht das zerstören der Lust am lernen zum Nutzen der Disziplin und Ordnung
Danke. Auch wenn ich die Erwähnung des Begriffes Konzentrationslager in diesem Kontext für ziemlich unangebracht halte...
Ich verwende sehr gerne überzogene Beispiele zur Verdeutlichung 😅 entschuldige ^^
Als Connoisseur der Hyperbolik nehme ich deine Entschuldigung an.
Lehrer sind keine Pädagogen. Ein Pädagoge ist jemand, der ein Pädagogik-Vollstudium absolviert hat.
Notendruck kann auch zu psychischen Erkrankungen führen und da kenne ich mittlerweile einige Beispiele.
Ich finde in der Schule sollte man mehr Wert auf lebensnahe Dinge legen, z.B. auch dass es mehr Aufklärung zu psychischen Erkrankungen gibt. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass 80% der gelehrten Inhalte in der Schule total lebensfremd sind (Gymnasium, Bayern). Beispielsweise benotete Prüfungen über Relativitätstheorie zu schreiben finde ich persönlich auch etwas überzogen - was will man damit, wenn man später nicht unbedingt bei der NASA oder in der Wissenschaft arbeiten möchte? Es sollten zudem Praktika angeboten werden um sich später entscheiden zu können was man macht, in welche Richtung es einen verschlägt. Selbst wenn man noch 20 Jahre studieren will, wird man irgendwann mal wo anfangen müssen zu arbeiten.
Sport beispielweise ist schon auch gut, aber muss das mit in die Noten einfließen? Kann man nicht einfach so Sport machen? Oder Kunst? Ich finde es wichtiger zu lernen was miteinander zu machen um Spaß zu haben oder einfach die Zusammenarbeit zu üben anstatt dass jeder für sich schaut, dass er eine gute Note bekommt. Dem aktuellen System nach ist der Weg kürzer im späteren Leben mal jemanden zu verletzen um selber besser da zu stehen als wie wenn man von Anfang an lernt zusammen zu arbeiten um so gemeinsam auf ein gutes Ergebnis kommen zu können. Wir sind alle in einem sozialen Netzwerk verflochten, wo man eigentlich schon meinen würde dass Zusammenarbeit wichtiger ist als die einzelne Leistung.
So Dinge wie beispielsweise - wie kocht man, wie lagert man Lebensmittel richtig, was gibt es für politische Systeme, wie funktioniert unser System, wie wählt man bei Wahlen, Infos über Versicherungen, worauf muss man bei Arbeitsverträgen achten, Einkommenssteuer, Chancen und Risiken des Internets, wie funktioniert unser Körper, Selbstfürsorge, Umgang mit Geld, wie verhalte ich mich, wenn ich zu einem Unfall dazu komme, Verhalten im Katastrophenfall, unser Gesundheitssystem... könnte noch 1000 Dinge nennen, die sicherlich mehr Platz bräuchten als sie jetzt haben.
Ich stehe dem aufgeschlossen gegenüber.
Allerdings glaube ich nicht, dass Noten das Hauptproblem in der Grundschule sind, sondern dass in Deutschland so früh ausgesiebt wird, Lehrer soviel Macht über den weiteren Lebensweg von Kindern haben, und sich die Empfehlung für Gymnasium etc. bei durchschnittlichen Schülern zu häufig nach dem Elternhaus richtet.
Ich hielte ein längeres gemeinsames Lernen für sinnvoll, bevor entschieden wird wer auf Hauptschule, Realschule, Gesamtschule oder Gymnasium geht. Es gibt Spätzünder.
Wenn du aber eine Karriere in Musik, Kunst, Werken oder Sport anstrebst, sollte dann die Benotung nicht besser drei Stellen hinterm Komma haben? Was nutzt ein Baum, die Konkurrenz schläft nicht.