Der Tanz mit dem Abgrund: Wie weit darf Humor gehen?
International stehen Comedians immer wieder in der Kritik - besonders, wenn "Witze" auf Kosten einer Minderheit gerissen werden. Doch wer darf welchen "Witz" machen und wo endet Humor, wo beginnt Beleidigung und abwertendes Verhalten? Aufgrund der neusten Schlagzeilen in Zusammenhang mit Luke Mockridge wollten wir von Euch in unserer Meinung des Tages wissen, was Ihr davon haltet.

Comedians in den Schlagzeilen
Das vermutlich bekannteste Beispiel aus Deutschland innerhalb der letzten Jahre dürfte der Satiriker Jan Böhmermann sein.
Lange Zeit polarisierte der deutsche Satiriker, auch seine "regulären" Gags waren nicht bei allen beliebt.
Doch dann veröffentlichte er ein Gedicht, das zur Böhmermann-Affäre führte. Das Schmähgedicht "gegen" den türkischen Präsidenten Erdoğan. Die türkische Regierung reagierte empört, es folgte ein Strafverfahren gegen Böhmermann. Dieses wurde letztlich eingestellt.
Böhmermann kommentierte das Geschehnis auf Facebook, teilte mit, nun habe er endlich in Zusammenarbeit mit dem ZDF die Grenzen von Satire herausgefunden.
Genau diese Grenze wird immer wieder ausgereizt - beispielsweise von Comedians wie Mario Barth oder auch Luke Mockridge. Letzterer sorgte kürzlich erneut für Schlagzeilen, da er mit einem "Witz" eine komplette Minderheit diskreditierte, wie einige finden - und sein "Witz" war nicht der erste in dieser Richtung.
Luke Mockridges Tanz mit dem Abgrund
Schon in der Vergangenheit stand der deutsche Komiker mehrfach in den Schlagzeilen.
Blicken wir zurück in das Jahr 2016. Bilder, die es so kaum noch gibt, zierten vor allem das Innere von Städten. Wildfremde Menschen standen in Gruppen zusammen, manche Spaziergänger riefen sich merkwürdig wirkende Sprachfetzen zu wie "schnell, da drüben ist ein Scherox!". Vermutlich waren viele Menschen mehr unterwegs als sonst, zumindest diejenigen, die das beliebte Spiel "Pokémon Go" spielten.
Auch Luke Mockridge äußerte sich zu dem Handyspiel. Auf X (damals Twitter) postete er, dass er den Hashtag und das Spiel #PokémonGo falsch verstanden habe, da er durch die Innenstadt gelaufen sei und Menschen mit Down-Syndrom anstupsen würde.
Die Reaktionen gingen von Entsetzen bis hin zu lauten Lachern - wobei die Kritik definitiv lauter war. Schon damals teste der Komiker eine Grenze aus und überschritt diese womöglich. Er entschuldigte sich und spendete eine unbekannte Summe an eine wohltätige Organisation.
Ein paar Jahre später stand er dann wieder in den Schlagzeilen und verschwand auch für einige Zeit aus der Öffentlichkeit. Ihm wurden übergriffiges Verhalten und auch Vergewaltigung vorgeworfen. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt, da es keinen hinreichenden Tatverdacht gab. Mockridge äußerte sich zwar zu den Vorwürfen, doch in der Medienwelt blieb es um ihn einige Zeit still.
Dieses Jahr erschien er dann wieder auf den großen Bühnen und erntete direkt wieder massive Kritik. Ähnlich wie im Jahr 2016 machte er einen "Witz" im Podcast "Die Deutschen" (Hosts: Nizar Akremi, Shayan Garcia). Die Hosts äfften Menschen mit Behinderung nach, Mockridge beteiligte sich und brachte einen Spruch über die Paralympischen Spiele. Der Comedian erklärte, dort gebe es Menschen ohne Arme und Beine – man könne diese in ein Becken werfen und wer als letzter ertrinke, der habe gewonnen.
Diese Aussage sorgte national für Empörung.

Reaktionen und Konsequenzen
Der "Witz" des Komikers sorgte national für Gesprächsstoff.
Der Sender SAT.1 strich das geplante Format mit Mockridge und distanzierte sich von dessen Aussagen. Auch sein Auftritt bei der Sendung "Nightwash" wurde gestrichten.
Gemeinnützige Organisationen wie "Aktion Mensch" erteilten "Witze" dieser Art eine deutliche Absage. Gegenüber der katholischen Nachrichtenagentur machten sie deutlich: Wer Menschenrechte unter dem Deckmantel der Comedy mit Füßen trete, überschreitet deutlich eine Grenze.
Auch der Sozialverbund VdK betitelte den "Witz" als "menschenverachtend".
Mockridge entschuldigte sich
Womöglich hat der Komiker nicht damit gerechnet, dass seine Aussage solch einen Aufschrei in der Gesellschaft auslöst.
Er entschuldigte sich, erklärte, er habe den Witz gemeinsam mit einem paralympischen Sportler und Comedian erarbeitet. Außerdem erklärte er, dass er bisher bei seiner Arbeit mit Behinderten stets einen schwarzen Humor erkennen konnte und bedauert, dass er das nicht richtig vermitteln konnte und Leute verletzt hat.
Die Hosts des Podcasts verteidigten den Komiker übrigens, entschuldigten sich teilweise, erklärten allerdings auch, dass sie sich nicht bei der "Cancel Culture" entschuldigen würden.
In unserer Meinung des Tages wollten wir wissen, was unsere Community über die Grenzen von Humor denkt und welche Konsequenzen in diesem Fall gerechtfertigt wären.

Nutzer druce88 erklärt, er sei bei dem Thema hin- und hergerissen:
Ich bin da hin und her hergerissen. An sich finde ich es erstmal wichtig über alles lachen zu können und sich und die Welt nicht zu ernst zu nehmen. Satire und schwarzen Humor finde ich großartig. Selbst (vielleicht auch gerade) dann, wenn es sich um schwierige Themen oder auch Schicksalschläge handelt. Häufig erlebe ich, dass eben gerade diejenigen, die sozusagen angesprochen sind, am lautesten Lachen. Abgesehen davon gehen die meisten Witze ohnehin auf die Kosten einer Person. Ob von diesem Luke oder Loriot ausgesprochen.
ABER und das aber ist hierbei auch ziemlich groß geschrieben: So manche Witze sind dann ja auch irgendwann auch ziemlich menschenverachtend und geschmacklos. Zudem werden dadurch auch so manche Aussagen und Sichtweisen salonfähig gemacht. Harmloses Beispiel: Je öfter das Jugendwort verwendet wird, desto mehr Menschen hören es und verwenden es wiederum auch bis es zum Jugendwort des Jahres gewählt wird und dann selbst in den großen Medien erscheint. Heikleres Beispiel: Wenn eine neue linke oder rechte Partei gegründet wird und mit ihren radikalen Aussagen Gehör findet, rutschen automatisch die anderen Parteien in die Mitte und erlauben sich drastischere Formulierungen, die vorher noch verpönt waren.
Also worauf ich hinaus möchte ist, dass Humor auch ein Instrument werden kann, um sich einen Freifahrtsschein für radikale oder auch menschenverachtende Ansichten geben zu können und spätestens hier ist die Grenze überschritten.
Über die Schwierigkeit der Grenzen spricht Tessa1984:
Das Problem ist, dass es hier keine klaren Grenzen geben KANN denn jeder ist unterschiedlich schnell gekränkt. Bei uns darf man gerne Witze über die Hautfarbe und so machen aber a.) nicht laufend und b.) muss klar zu erkennen sein, dass man das was man da laberd niocht auch glaubt.
priesterlein sieht eher ein Problem in der Empfindlichkeit der Generation:
Ich fand seine Aussagen über die Paralympics und wie sie begannen schon witzig. Allerdings hat er nun eine Generation der Empfindlichkeiten und Nulltoleranz am Start und dass die da schreien, heulen, jammern und anklagen, war zu erwarten, denn anscheinend nehmen sie alles ernst.
Die geübte Kritik teilt beispielsweise sunnymarie32:
Humor hört da auf, wo andere verletzt werden! GRUNDSÄTZLICH... IMMER... OHNE AUSNAHME!
Und sorry, aber genau die Grenze hat dieser Mockridge schon mehrfach deutlich überschritten und noch immer nicht daraus gelernt.
Vielfältige Meinungen
Bei unserer Meinung des Tages zum Thema haben über hundert von Euch geantwortet. Eine komplett überwiegende Meinung scheint es hier nicht zu geben - einige stimmen zu, dass eine Grenze überschritten wurde, andere sehen eher ein Problem in der (Über)Interpretation, die gesellschaftlich stattfindet. Wieder andere denken, dass es bei Satire keine Grenzen geben sollte.
Hast auch Du eine Meinung zum Thema? Dann klick ganz schnell auf den Link zur Meinung des Tages und lass uns eine Antwort da! Wir freuen uns!