Im Gestern gefangen? Wie Kultmoderator Thomas Gottschalk mit heutigen gesellschaftlichen Entwicklungen hadert..
Über viele Jahre sorgte Thomas Gottschalk mit seiner Kult-Sendung "Wetten, dass..?" in vielen deutschen Wohnzimmern für beste Samstagabendunterhaltung. Seit der letzten Sendung im November 2023 allerdings macht Gottschalk eher durch diskussionswürdige Statements auf sich aufmerksam. Jüngst offenbarte der Ex-Showmaster, Probleme mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen zu haben. Grund genug, das Thema Gottschalk mit der gutefrage Community zu diskutieren.

Ein letztes Mal "Top, die Wette gilt!"
Madonna, Steffi Graf, Spice Girls, Iris Berben, Claudia Schiffer, Heidi Klum, Michael Jackson, Elton John, Brittney Spears, Tom Hanks, Dirk Nowitzki, Angelina Jolie, Tina Turner oder Mariah Carey. Nein, hierbei handelt es sich keineswegs um Gäste einer größeren Show im US-Fernsehen, sondern um eine kleine Auswahl der zahlreichen Gäste, die Thomas Gottschalk im Laufe der Jahre bei "Wetten, dass.." begrüßte. Und die kann sich - egal, ob man das Format nun mochte oder nicht - für eine Show "Made in Germany" durchaus sehen lassen.
So war es bei Gottschalks wirklich aller letzter Sendung Ende November 2023 nicht verwunderlich, dass sich ebenfalls noch einmal einige Stars & Sternchen der Unterhaltungsindustrie wie Matthias Schweighöfer, Jan Josef Liefers, Bastian Schweinsteiger samt Ehefrau Ana Ivanovic, die Altboyband Take That oder Helene Fischer die Ehre geben würden.
Mit insgesamt 12,13 Millionen Menschen - ein stolzer Marktanteil von 45,3% - an den Fernsehschirmen zumindest schien das Interesse an Gottschalks Abgesang riesengroß. In seinen besten Zeiten war Thomas Gottschalk der perfekte Improvisationskünstler, der selbst in Gegenwart von Hollywood- und Pop-Ikonen nicht davor scheute, sie mit frechen Sprüchen teutonisch-humoristischer Machart aus der Reserve zu locken. An seinem finalen Abend allerdings, wollte er vor allem eines: Möglichst wenig Negativschlagzeilen kreieren.
In einem für seine Verhältnisse unaufgeregt dezenten Outfit und überraschender Zurückhaltung in puncto Sprücheklopferei führte Gottschalk das Publikum also durch seine letzte Show. Dass der Moderator mit sich und der heutigen Zeit mittlerweile jedoch schwer hadert, offenbarte er schon zu Beginn der Sendung. Ein bisschen ironisch, aber durchaus auch etwas schwermütig, erkannte er, sich die Aufmerksamkeit heute mit den sozialen Medien teilen zu müssen. Früher, ja, früher.... da gab es nur ihn!
In seinem Schlussplädoyer offenbarte der beliebte Showmaster dann noch, wieso mit "Wetten, dass...?" nun endgültig Schluss sei: Er wolle nicht, dass man ihm seine künftigen Gäste erklären müsse und zudem könne er in Zeiten von Shitstorms und Cancel Culture im TV nicht mehr völlig frei sagen, was er sagen möchte.

Die Sorge davor, das Falsche zu sagen
Wer denkt, dass es nach dem Ende bei "Wetten, dass..?" ruhig um Thomas Gottschalk werden könnte, der irrt gewaltig! Momentan ist der Ex-Moderator in aller Munde, was nicht nur an seinem neuesten - und womöglich programmatischen - Buch namens "Ungefiltert" liegt, sondern vor allem angesichts mancher Äußerungen, die er jüngst im Spiegel und im TV tätigte.
Im Internet werden seit mehreren Wochen verstärkt ältere Youtube-Clips aus früheren "Wetten, dass..?"-Folgen diskutiert, die Gottschalk zeigen, wie er sich weiblichen Gästen gegenüber unangenehm näherte; so berührte er häufig das Knie / Bein mancher Frauen oder äußerte sich sexistisch. Beim Ex-Spice-Girl Emma Bunton z.B., die in seiner Show damals ein Kleid mit offenem Rücken in einer Folge trug, wünschte er sich, dass sie das Kleid doch besser andersherum getragen hätte.
Anhand der Reaktion der Mädels lässt sich erahnen, dass sie für derartige Sprüche womöglich nicht viel übrig hatten. Vom Spiegel auf die Szene angesprochen entgegnete Gottschalk, keinerlei sexuelles Interesse an den Spice Girls gehabt zu haben. Zudem erwähnte er, dass sie in einem ihrer bekanntesten Hits ja ohnehin "If you wanna be my lover" gesungen hätten.
Auf womöglich unangemessene Berührungen in der Vergangenheit angesprochen, reagierte Gottschalk mit Blick auf sein früheres Verhalten dahingehend, dass er Frauen im Zuge seiner Sendung ausschließlich "rein dienstlich" berührte. Die Sorge vor schlechter Reputation oder möglichen "Me Too"-Debatten geht bei Gottschalk mittlerweile so weit, heute keinen Aufzug mehr mit einer Frau alleine betreten zu wollen.
Dass es heute im öffentlichen Diskurs doch recht politisch korrekt zugeht und ausnahmslos jede in der Öffentlichkeit getätigte Aussage auf ihre soziale Verträglichkeit hin geprüft wird, beeinträchtigt den früheren Publikumsliebling sichtlich. Obgleich Thomas Gottschalk weiterhin ein offener und humorvoller Mensch ist, gerät er heute doch zunehmend in die Situation, nicht mehr - ohne vorheriges Nachdenken - frei nach Schnauze sprechen zu können. Schauspielerin Natalia Wörner zeigte sich beim "Kölner Treff" irritiert und problematisierte in Richtung Gottschalk, dass offenkundig viele Menschen Schwierigkeiten damit hätten, gesellschaftliche Entwicklungen zu akzeptieren und eigene kritische Verhaltensweisen zu reflektieren.

Ist Gottschalks Kritik an der politischen Korrektheit gerechtfertigt? Die gutefrage Community diskutiert
Da das Thema Gottschalk sowohl in den hiesigen Nachrichten und Talk-Shows sowie in den sozialen Netzwerken diskutiert wurde, ließen wir's uns nicht nehmen, das Thema für unsere Meinung des Tages aufzugreifen.
Die Nutzer Hummingbird666, cybersenior und koofernix denken, dass die aktuelle Kritik an Thomas Gottschalk überspitzt sei:
Ja und? Früher hat sich kein Mensch darüber aufgeregt. Da haben sie alle gelacht und geklatscht. Sich 20 Jahre später aufzuregen ist lachhaft.
Ich finde es absurd - Gottschalk heute zu kritisieren für seinen Umgang mit weiblichen Gästen vor 30/40 Jahren. Damals gab es andere Werte und Empfindlichkeiten und Handlungen waren anders gemeint und wurden anders wahr genommen.
Ich hatte auch nie den Eindruck, dass Gottschalk seine Stellung gegenüber weiblichen Gästen ausnutzte - und das vor laufender Kamera.
Natürlich muss man mit der Zeit gehen und wahrnehmen, dass heute Handlungen anders wahr genommen werden.
Ich habe aber das Gefühl bei der Korrektness - dabei wird das Kind mit dem Bad ausgeschüttet. Da verhärtet sich was zwischen den Geschlechtern, das beiden fehlen wird. Vor allem bleibt der Humor dabei völlig auf der Strecke.
Man muss Akteure immer am jeweiligen Zeitgeist messen und eben nicht an den gegenwärtigen Erkenntnissen und Empfindlichkeiten.
Ein anderes Beispiel: Karl May Bücher waren in meiner Kindheit/Jugend der Renner in der Jugendliteratur. Gemessen am damaligen Zeitgeist hatte Karl May ein ausgesprochen humanes Menschenbild von anderen Kulturen, vergleicht man seinen Stil dagegen mit dem aktuellen Zeitgeist war er ein Rassist.
Diese Differenzierung vermisse ich bei vielen aktuellen Diskussionspunkten. Die Diskussion verkommt dadurch zum Dogmatismus und spaltet den Diskurs in unüberwindbare Lager
Wann hätte er sich denn an die gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen sollen ? Damals war es halt so und niemand konnte ahnen wie beknackt die Welt einmal wird. Es fällt uns Älteren nicht unbedingt leicht gesellschaftliche Entwicklungen zu akzeptieren, wenn diese mit Gewalt herbeigeführt werden sollen. Verschiedene Dinge sind sicher gerechtfertigt, andere einfach nur albern. Man sollte einer Gesellschaft Zeit geben sich von selbst zu entwickeln.
Eine etwas andere Sicht und differenzierte auf das Thema haben hingegen die gutefrage Nutzer Celin76, SashaMu66 oder Eclair89:
Zur damaligen Zeit konnten sich die Männer gegenüber den Frauen viel mehr erlauben. Das wurde oft so hingenommen. Irritiert bis peinlich berührt, manchmal sicher auch mit Wohlwollen. Ich finde es gut, dass das heute anders ist. Aus heutiger Sicht waren es schon oft Respektlosigkeiten gegenüber den Frauen. Aber man muss das schon auch im damaligen Kontext sehen. Es waren vergleichsweise harmlose Übergriffe in dieser Sendung, die ich heute zwar definitiv nicht mehr dulden-, aber heute nach so langer Zeit auch nicht mehr ahnden würde.
Zur Zeit schlägt das Pendel nun etwas stark in die andere Richtung aus. Das führt dann dazu, dass man sich gar nicht mehr zu berühren wagt. Ich selbst bin eher von der „berührenden“ Sorte, fasse im Gespräch mal mein Gegenüber kurz am Arm an und bin auch eher schnell mal beim Umarmen, wenn es sich stimmig anfühlt. Und bin mir aber sehr wohl bewusst, dass hier bei Männern und Frauen mit unterschiedlichen Ellen gemessen wird. Das erachte ich als ungerecht. Ich finde, uns ist diesbezüglich auch eine gewisse Lockerheit abhanden gekommen. Aber genau diese Lockerheit erfordert Feingefühl. Mir ist es wichtig, dass meine Kinder da einen angemessenen und unverkrampften Umgang finden.
Naja, der hat ja ständig rumgetätschelt... was daran dienstlich sein sollte, kann ich mir nicht erklären.
Das entsprach wohl dem damaligen Zeitgeist, dass er das durfte. Ich fand die 1980er Jahre als junge Frau jedenfalls überhaupt nicht lustig. Dass ich kein gefälliges, aufgehübschtes Weibchen war, hat so einigen Herrschaften gar nicht on den Kram gepasst. Es gab noch ganz schöne Machos.
Dass man heute jedes Wort auf die Goldwaage legt, gefällt mir als Freundin bissiger Satire und schwarzen Humors eher weniger. Im Netz ist der Umgangston unter aller Kanone, dafür gibt es öffentlich nur noch langweilige oder alberne Comedy. Ich kann gut verstehen, dass er sich zurückzieht.
Einerseits also gut, dass sich die Zeiten geändert haben, andererseits zum Teil nicht.
Anscheinend sieht Gottschalk das Kernproblem nicht. Frauen wollen nicht mehr nur sexualisierte Gegenstände sein und auch ernst genommen werden. Das hat nichts mit Politik oder sensibel sein zu tun.
Wie Du siehst, polarisieren die Themen Gottschalk sowie die Diskussionen über politische Korrektheit in der heutigen Öffentlichkeit durchaus. Hast auch Du eine Meinung hierzu, die Du mit unserer Community teilen möchtest? Dann wirf gerne einen Blick auf unsere Meinung des Tages zum Thema und lass unsere Nutzer wissen, was Du darüber denkst.