Wird die französische Minderheitsregierung binnen der nächsten 24 Stunden gestürzt?
Sowohl linkes als auch rechtes Lager hatten die französische Regierung gewarnt. Dennoch drückte Ministerpräsident Barnier den Sozialhaushalt ohne finale Abstimmung durchs Parlament. Nun droht ihm Le Pen offen mit Sturz.
Die französische Regierung hat ihr Gesetz zum Sozialhaushalt trotz Warnungen ohne finale Abstimmung durchs Parlament gebracht. Nun droht ihr der Sturz durch ein gemeinsames Misstrauensvotum der Opposition. Premierminister Michel Barnier wandte einen Sonderartikel der Verfassung an, mit dem Haushaltstexte ohne Abstimmung umgesetzt werden können.
Sowohl die Parteien aus dem linken Lager als auch der rechtsnationale Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen hatten für diesen Fall mit einem Misstrauensvotum gedroht. Da die Mitte-rechts-Regierung von Barnier in der Nationalversammlung keine Mehrheit hat, droht ihr damit der Sturz. Präsident Emmanuel Macron würde durch einen solchen Schritt zwar nicht abgewählt, aber ebenfalls weiter unter Druck gesetzt.
RN-Anführerin Le Pen kündigte nach der Entscheidung an, Barnier nun zu Fall bringen zu wollen. Die eigenen Forderungen seien in den Haushaltsverhandlungen nicht ausreichend berücksichtigt worden, so Le Pen. Man werde ein Misstrauensvotum unterstützen, egal von wem es ins Parlament gebracht werde.
Opposition hat nun 24 Stunden Zeit für Misstrauensantrag
Barnier sagte mit Blick auf das mögliche Misstrauensvotum: »Ich glaube aufrichtig daran, dass die Franzosen es uns nicht verzeihen würden, Einzelinteressen der Zukunft der Nation vorzuziehen.« Die Opposition hat nun 24 Stunden Zeit, um den Antrag einzureichen.
Vor wenigen Tagen hatte Barnier im französischen Fernsehen daran erinnert, dass Frankreich mit 3228 Milliarden Euro hoch verschuldet sei und sparen müsse. Seine Mitte-rechts-Regierung hatte deshalb einen Sparhaushalt auf den Weg gebracht. Im kommenden Jahr will die Regierung durch Einsparungen und zusätzliche Einnahmen Dutzende Milliarden Euro gutmachen.
Entgegenkommen für Rechtspopulisten
Noch kurz vor der Abstimmung war Barnier den Rechtspopulisten entgegengekommen. Sein Büro teilte mit, dass die Regierung Pläne für Kürzungen bei der Erstattung von Medikamentenkosten im kommenden Jahr aufgebe. Das war eine der Forderungen des RN, auf dessen Stimmen Barniers Minderheitsregierung angewiesen ist. Schon zuvor war die Regierung auf den RN eingegangen, um weiterregieren zu können.
An den Finanzmärkten hat die jüngste Entwicklung bereits für erhebliche Unruhe gesorgt. Am Mittwoch verzeichneten französische Staatsanleihen den höchsten Risikoaufschlag gegenüber deutschen Anleihen seit der Schuldenkrise in der Eurozone 2012.
Quelle: https://www.spiegel.de/ausland/frankreich-michel-barnier-drueckt-sozialhaushalt-durch-und-riskiert-abwahl-a-7094d300-c054-419c-b087-badd01dfc773?sara_ref=re-so-app-sh